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Weltweit entstehen immer größere Gebäudekomplexe, in denen täglich Tausende von Menschen ein- und ausgehen. Die Möglichkeiten bestehender Technologien, um diese Menschen bei einem Brand oder in anderen Notfällen zu schützen, sind noch lange nicht ausgeschöpft. Über Sprachalarmanlagen wird in Zukunft eine vernetzte, integrative und intelligente Evakuierung möglich sein.
Flughafen Düsseldorf, 11. April 1996: Ein durch Schweißarbeiten ausgelöster Großbrand verwüstet binnen kurzer Zeit die Terminals A und B. 17 Menschen sterben, weitere 88 werden teilweise schwer verletzt. Fünf Jahre dauert das Gerichtsverfahren, in dem Ursachen der Katastrophe aufgearbeitet wurden. Dass so viele Menschen zu Schaden kamen, liegt nach Ansicht von Experten unter anderem an einer nicht ausreichend verständlichen und somit unzureichend effektiven Evakuierung. So schreibt die Fachzeitschrift „Brandschutz“ im Jahre 2012: „Hier starben viele Menschen, weil sie weder wussten, wo sichere Räume sind, noch wie sie dorthin gelangen konnten. Das Beispiel zeigt, wie wichtig eine sichere, für alle Betroffenen wahrnehmbare und verständliche Rettungswegführung ist, gerade in komplexen Gebäuden.“
Zu den hier angesprochenen komplexen Gebäuden zäh- len nicht nur Flughäfen oder große Bahnhöfe, sondern auch Hotels und Einkaufszentren, Kinos und Freizeitparks, Konzertgebäude und Veranstaltungszentren. Auch für Krankenhäuser, Schulen und Universitäten, Industriebauten, Großgaragen und andere Einrichtungen, in denen viele Menschen zusammenkommen, wächst die Herausforderung, im Ernstfall schnell, geordnet und sicher evakuieren zu können. Durch ihre schiere Größe und Unübersichtlichkeit erschweren diese Bauwerke die Orientierung zusätzlich.
Ihnen gemeinsam ist vor allem eins: Die Menschen, die sich hier aufhalten, kennen sich mit den baulichen Gegebenheiten in der Regel nicht aus. Doch selbst wenn – woher soll ein Schüler oder ein Mitarbeiter, der immer seine gewohnten Wege geht, im Alarmfall wissen, welches der für ihn beste Fluchtweg ist? Die Antwort heißt, durch Sprachdurchsagen.
Denn Sprachdurchsagen sind wesentlich effektiver als Sirenen oder andere Alarmsignale. So senken automatische Sprachdurchsagen die Reaktionszeit der Menschen um bis zu 50 Prozent gegenüber reinen Tonsignalen, wie eine Studie des British Standard Institute BSI zeigt. Dieser Effekt verstärkt sich noch bei Live-Durchsagen, etwa durch die Feuerwehr. Auf sie reagieren die Menschen bis zu viermal schneller als auf Tonsignale. Thomas Tott, Leiter Sprachalarmanlagen und Beschallungstechnik bei Hekatron Brandschutz unterstreicht das: „Neben visuellen Reizen ist Sprache unser primäres Werkzeug zur Kommunikation. Das nutzen wir für Sicherheitszwecke und wir können die Informationen vielfältig ausdifferenzieren, zum Beispiel mit mehrsprachigen Durchsagen an Flughäfen oder Bahnhöfen.“
Komplexe Gebäude: Im Ernstfall schnell und sicher evakuieren
Jede Minute ist kostbar. Denn bei einem Brand sind die ersten Minuten nach seiner Detektion für die Rettung von Menschenleben entscheidend. Je länger es dauert, bis Menschen in einem Gebäude mitbekommen, dass es brennt, und damit beginnen, sich in Sicherheit zu bringen, umso größer die Gefahr für Leib und Leben. Gefährlicher als die Flammen ist das Rauchgas. „Rauchgas kann schon zu einem frühen Zeitpunkt tödlich sein – nur wenige Atemzüge können ausreichen – wenn die Betroffenen den Brand visuell noch gar nicht wahrgenommen haben“, erklärt Thomas Tott. Das gilt auch für andere Alarmsituationen wie Amok-, Terror-, Bomben- oder Gasalarm. Doch nicht nur die Zeit ist ein wesentlicher Sicherheitsfaktor, sondern auch Agilität. Live-Anweisungen schaffen die Möglichkeit, differenziert auf das Gefahrengeschehen zu reagieren. Instruktionen wie „Bitte verlassen Sie das Gebäude über das Treppenhaus Ost und öffnen Sie kein Fenster“ sind effektiver als jeder ausgehängte Fluchtwegeplan.
„Der Sicherheitsbedarf steigt und mit ihm die Sicherheitsstandards“, erklärt Thomas Tott. Deswegen beschäftigen sich Brandschutz- und Sicherheitsexperten sowie Gebäudeplaner und -errichter zunehmend mit dem Thema Sprachalarmanlagen, kurz SAA.
Die verschiedenen Sonderbauverordnungen setzen inzwischen klare Ziele. So heißt es da zum Beispiel, Versammlungsstätten ab einer bestimmten Größe „müssen Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen haben, mit denen im Gefahrenfall Besucher, Mitwirkende und Betriebsangehörige alarmiert und Anweisungen erteilt werden können.“ Ähnlich lauten die Forderungen der Verordnung für Verkaufsstätten und andere Sonderbauten.
„Die Vorgaben sind mittlerweile eigentlich eindeutig und der Nutzen nachgewiesen“, sagt Thomas Tott. Dennoch würden diese Vorgaben bislang nicht konsequent umgesetzt. „Oft wird diese Passage so interpretiert, dass eine Alarmierung über akustische Signalgeber nach der DIN VDE 0833-2 ausreicht und man scheut die Investition in eine Sprachalarmanlage nach DIN VDE 0833-4.“ Die Kosten jedoch allein zum Nutzen der SAA im Brandfall ins Verhältnis zu setzen wäre jedoch zu kurz gedacht. Wenn Gebäudeeigner oder -betreiber über eine Investition in ein solches System nachdenken, sollten sie auch all die anderen Leistungen in ihre Entscheidung mit einbeziehen, die es langfristig abdecken kann. Zusätzlich nutzbare Funktionen, wie z. B. die Integration einer Hauptuhr zur Steuerung von Nebenuhren und zeitgesteuerten Durchsagen, lassen sich mit wenig Aufwand ergänzen. Zusätzlich gibt es eine enorme Vielzahl an möglichen Erweiterungen, die den Mehr- wert der Anlage Stück für Stück weiter steigern, ganz unabhängig von ihrem Nutzen im Alarmfall.
Wir müssen Wissenslücken schließen und Lösungen für eine normgerechte Sprachalarmierung finden.“
Tott rät deshalb langfristiger zu denken: „Die Möglichkeit, verschiedenste Funktionalitäten zu integrieren, sehe ich mit Blick auf das Tempo der technologischen und digitalen Entwicklung im Gebäude als zentrales Kriterium für die Zukunftsfähigkeit einer Anlage.“
Sprachalarmierung ist ein relativ junges Thema. Da gilt es noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. „Wir als Brandschutzexperten müssen Wissenslücken schließen und Lösungen für eine normgerechte Sprachalarmierung finden. Schließlich geht es um Menschenleben.“ Deshalb bietet Hekatron Brandschutz seit einiger Zeit auch Sprachalarmanlagen an. „Eine SAA ist Leistungsbestandteil der Brandschutzeinrichtung“, erläutert Tott. Laut Normierung muss die SAA automatisch von einer Brandmeldeanlage angesteuert werden. Sie definiert außerdem, wie eine Sprachalarmanlage und die Schnittstelle zur Brandmeldeanlage beschaffen sein müssen, um ihre Aufgabe zuverlässig und technologisch zukunftssicher zu erfüllen.
„Für Sprachalarmierung braucht man natürlich andere Kenntnisse als für Brandschutz“, erklärt Thomas Tott. „Hier geht es zum Beispiel darum, die raumakustischen Verhältnisse, also die Schalleigenschaften von Wänden, Decken, Fußböden und Raumausstattung richtig zu analysieren und auf Basis dieser Analyse die Lautsprecher fachlich richtig auszuwählen und zu platzieren. Das erhöht auch die Leistungsfähigkeit des Systems.“
Wenn etwa reflektierter Schall den direkt aus der Quelle kommenden Schall überlagert, leidet bei einer Sprachdurchsage die Verständlichkeit. Auch bauliche Gegebenheiten wie große Säulen oder Regale können leicht zu Hindernissen im Schallfeld werden. Der Schall wird vom jeweiligen Hindernis reflektiert, zerstreut oder abgelenkt. Echo- oder Nachhalleffekte können vermehrt bei glatten Oberflächen wie Glas oder Stein entstehen. Klar, dass auch in solchen Fällen Anweisungen im Ernstfall nicht korrekt verstanden werden. Zu den allzu häufig gehörten Beispielen untauglicher Durchsagen gehören Ansagen in Bahnhofshallen. Oft bekommt deren Inhalt nur mit, wer sich im direkten Schallfeld des Lautsprechers aufhält.
„Akustik ist eine Wissenschaft für sich, die einiges an Detailwissen und Erfahrung verlangt“, sagt Thomas Tott. Um die Sprachverständlichkeit von elektroakustischen Anlagen zu gewährleisten, arbeiten die Experten mit einem international genormten physikalischen Messverfahren, dem sogenannten Speech Transmission Index STI. Dabei empfängt ein Messmikrofon ein Testsignal, das ein STI-Messgerät auf seine Sprachverständlichkeit hin analysiert. Der Mindestwert für elektroakustische Notfallwarnsysteme muss laut Anwendernorm im Normalfall auf der STI-Bewertungsskala bei 0.5 oder höher liegen.
Mehrwert: Gerade in öffentlichen Bereichen wie hier am S-Bahnhof des Marienplatzes in München bieten Sprachalarmanlagen Vorteile gegenüber elektroakustischen Anlagen.
Zu den elektroakustischen Herausforderungen kommen die brandschutzspezifischen Vorgaben des Gesetzgebers, festgeschrieben in verschiedenen Normen wie der bereits erwähnten DIN VDE 0833-4 und DIN 14675 und den Produktnormen EN 54-16, -4, -24.
Natürlich müssen auch die Zuleitungen für die Lautsprecher der Norm entsprechen. So ist bei bauordnungsrechtlich geforderten Sprachalarmanlagen für die Verkabelung bis in den jeweiligen Alarmierungsbereich gemäß Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) ein sogenannter Funktionserhalt E30 vorgeschrieben. Das heißt, die Kabel müssen im Brandfall mindestens 30 Minuten lang funktionsfähig bleiben.
Aus der Norm wird auch die Klassifizierung der Sicherheitsstufen 1–3 einer Sprachalarmanlage im Objekt abgeleitet. In den meisten Objekten erachtet man eine . Klassifizierung der Sicherheitsstufe 2 als sinnvoll. Wer besonders sicher gehen will, legt sein Lautsprechersystem mit einer sogenannten A/B-Verkabelung redundant an. Dabei werden die Lautsprecher in einem Raum beziehungsweise Alarmierungsbereich auf zwei Lautsprecherlinien aufgeteilt und auch an separate Verstärker angeschlossen. Jeder zweite Lautsprecher wird auf der A-Linie beziehungsweise auf der B-Linie betrieben. Das hat den Vorteil, dass bei einem Leitungsausfall die Hälfte der Lautsprecher in Betrieb bleibt.
Eine Alternative, zum Beispiel in kleinen Räumen, in denen zwei Lautsprecher stören würden, sind sogenannte A/B-Lautsprecher, das sind zwei komplett getrennte Lautsprecher in einem Gehäuse – inklusive separater Klemme und Verkabelung.
Dass eventuelle Durchsagen im Ernstfall auch tatsächlich ihren Zweck erfüllen, wird sehr genau geprüft, wie Thomas Tott erklärt. „Dabei wird jeder Lautsprecher einzeln eingepegelt, die Sprachverständlichkeit wird gemessen und protokolliert. Erst wenn jeder Lautsprecher und jeder einzelne Raum oder Bereich die geforderte Qualität bietet, wird die Anlage abgenommen.“
Raumakustik: Die Verständlichkeit von Durchsagen hängt von baulichen Verhältnissen ab.
Sprachalarmanlagen von Hekatron Brandschutz lassen sich problemlos in jede im Markt befindliche Brandmeldeanlage integrieren. Und sie sind für wesentlich mehr Einsatz-Szenarien geeignet als die reine Alarmierung im Brandfall, wie Fabian Meihofer, SAA-Projektierer bei Hekatron Brandschutz, anmerkt. „In vielen Gebäuden sind heute schon Elektroakustische Anlagen, kurz ELA, oder Elektroakustische Notfallwarnsysteme, im Fachjargon ENS, verbaut. Eine Sprachalarmanlage geht sicherheitstechnisch weit darüber hinaus, kann zugleich aber alle Funktionalitäten von ELA oder ENS abdecken. Das ist der Schlüssel zu einer kosteneffizienten Lösung.“ Musikbeschallung oder Durchsagen in Einkaufszentren, Informationen zu speziellen Aktionen – das alles und mehr lässt sich über eine Sprachalarmanlage qualitativ hochwertig und flexibel abwickeln und zugleich dient die Anlage der normgerechten Alarmierung im Brandfall. Sie wird damit zur Plattform für alle akustischen Nutzungsszenarien. Für Schulen, Einkaufszentren oder Sporthallen mit mehreren Bereichen können getrennte Lautsprecherlinien individuell beschallt werden, auch die Audioquellen und ihre Schnittstellen sind frei wählbar. Selbst Telefone oder Smartphones lassen sich problemlos in die SAA einbinden. In Bildungseinrichtungen kann man die Hauptuhr ins System integrieren, von der aus sich alle Uhren im Gebäude und der Pausengong ansteuern lassen. „Unsere Brandschutz- und SAA-Systeme sind modular aufbaubar und extrem flexibel“, merkt Fabian Meihofer an. „Wir können praktisch jede damit zusammenhängende Funktion realisieren, bis hin zum zentralen Ansteuern von Jalousien zum Beispiel.“
Dr. Sebastian Festag, Risikoforscher und Geschäftsbereichsleiter Marktentwicklung bei Hekatron Brandschutz, sieht die Notwendigkeit, auf die Dynamik von Gefahren mit sicherheitstechnischen Systemen einzugehen. „Wir sind Sicherheits- und Brandschutzexperten. Wenn sich Systeme etablieren, die die Sicherheit erhöhen, dann ist das erfreulich. Es setzt innovative Impulse im Markt. Es unterstützt uns dabei, das Leben der Menschen sicherer zu machen.“
Bis dahin ist jedoch noch ein Weg zu gehen. Derzeit sind statische Systeme zur Unterstützung der Flucht von Personen die Regel – zum Beispiel die bekannten grünen Rettungszeichen mit weißen Pfeilen, die aber auch dann in die immer gleiche Richtung zeigen, wenn es dort brennt. Akustische Sicherheitskonzepte sind der nächste wichtige Schritt zur effizienten und schnellen Evakuierung. Umso mehr, wenn sie sich per Sprachdurchsage an das aktuelle Geschehen anpassen können. Die nächsten Stufen existieren in der Branche schon: Die Visualisierung von Fluchtwegen etwa über Leuchtstreifen in Bodennähe, wie man sie vom Flugzeug her kennt. Konsequente Weiterentwicklung sind dynamische Konzepte. Dabei reagieren die optischen dynamischen Rettungszeichenleuchten und Markierungen auf die Brandsituation. Der jeweils optimale Fluchtweg erscheint in Grün, während Wege, die in die Gefahr führen, in Rot gekennzeichnet sind. „Der vorläufig letzte Schritt sind adaptive Konzepte. Sie basieren auf der Integration der Überwachung der Begehbarkeit von allen Fluchtwegen.“ Sensoren erfassen kontinuierlich die aktuelle Gefahrensituation und eventuelle Veränderungen. Auf dieser Basis steuern sie automatisch die visuelle und akustische Fluchtweglenkung bis hin zum Öffnen oder Schließen von Türen, falls erforderlich. „Wir sind in unterschiedlichsten Gremien und Arbeitskreisen aktiv an der Diskussion zur weiteren Entwicklung beteiligt“, sagt Sebastian Festag.
Unsere Kunden sollen in Zukunft komplette Brandschutzanlagen inklusive Fluchtweglenkungssystemen und dem dafür erforderlichen Know-how von Hekatron aus einer Hand bekommen.