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Normen
Menschen können sich schneller in Sicherheit bringen, wenn sie über Sprachdurchsagen geleitet werden. Vorausgesetzt, sie verstehen, was gesagt wird. Deshalb regeln Normen nicht nur die Ausfallsicherheit entsprechender Anlagen, sondern auch, wie verständlich deren Durchsagen sein müssen.
Im Brandfall zählt jede Sekunde, denn Feuer und Rauch können sich rasend schnell ausbreiten. Akustische Signalgeber alarmieren Personen zwar effizient, aber die Frage, wo und für wen eine akute Gefahr besteht, beantwortet ein Warnton allein nicht. Es bleibt das Risiko, dass Menschen die Alarmsignale nicht oder nur verzögert beachten oder falsch interpretieren. Ergänzende Sprachdurchsagen dagegen wecken Aufmerksamkeit und vermitteln gleichzeitig klare Botschaften. Menschen können sich schneller, ruhiger und geordneter in Sicherheit bringen, wenn „ihnen gesagt wird, was sie tun sollen“, weiß Bastian Nagel, Spezialist für Normen und Richtlinien bei Hekatron Brandschutz. Im Ernstfall rettet die Sprachalarmierung also Leben.
Kein Wunder, dass Sprachalarmanlagen deshalb heute wichtige Elemente von Sicherheits- und Brandschutzkonzepten sind und immer häufiger gefordert werden. Doch nicht jede Beschallungsanlage eignet sich auch für Alarmierungs- und Evakuierungsaufgaben.
Insbesondere an die Sprachverständlichkeit und den Aufbau der Systeme werden hohe Ansprüche gestellt.
Die Normung unterscheidet im Bereich der elektroakustischen Anlagen zwischen Sprachalarmanlagen (SAA) und Elektroakustischen Notfallwarnsystemen (ENS). ENS unterliegen der Norm DIN EN 50849 (VDE 0828-1) und verfügen in der Regel über keine Anbindung an Brandmeldeanlagen. ENS dürfen nicht zur Evakuierung im Brandfall eingesetzt werden und zwar unabhängig davon, ob eine Anbindung an die BMA besteht oder nicht. „Dieser Sachverhalt wurde durch die neue Fassung der Norm vom November 2017 noch einmal klar hervorgehoben“, unterstreicht Nagel. Gedacht sind diese Anlagen, um Durchsagen im Notfall manuell auszulösen – etwa bei einem Störfall.
SAA dagegen werden von Brandmeldeanlagen normalerweise direkt angesteuert und lösen deshalb im Brandfall automatisch und dadurch unverzüglich Sprachdurchsagen aus. Gleichzeitig besteht auch die Möglichkeit, dass die Feuerwehr über Live-Durchsagen Anweisungen an Beschäftigte und Besucher erteilen kann. SAA sind damit wichtiger Bestandteil des Brandschutzkonzeptes, insbesondere bei großen und komplexen oder besonders unübersichtlichen Gebäuden. Ausgeführt werden diese Anlagen nach der Anwendungsnorm DIN VDE 0833-4. Diese Norm wurde zuletzt im Oktober 2014 veröffentlicht und gilt stets in Verbindung mit DIN 14675-1.
Im Gegensatz zur DIN EN 50849 (VDE 0828) verlangt die DIN VDE 0833-4 ein hohes Sicherheitsniveau bei der Betriebsbereitschaft der eingesetzten Geräte. Die eingesetzten Produkte, also bspw. Sprachalarmzentralen, Lautsprecher und Energieversorgungen, müssen der Normenreihe EN 54 entsprechen und von zugelassenen Prüfinstituten zertifiziert sein.
Sowohl SAA als auch ENS können im Übrigen auch in Notfall- und Gefahren-Reaktionssysteme (NGRS) eingebunden werden und somit bspw. auch bei Amok-Lagen wertvoller Bestandteil des Gesamtsicherungskonzeptes sein.
Wo im Gebäude über Sprache alarmiert wird, schreibt das Brandschutzkonzept vor. Auch aus der Gefährdungsbeurteilung des Betreibers können sich Anforderungen hierzu ergeben. Wie ausfallsicher die SAA dabei ausgeführt werden muss, hängt von der Risikobeurteilung des Brandschutzplaners ab. Berücksichtigt werden dabei verschiedene Faktoren, u. a. wie viele Personen sich in dem Gebäude aufhalten, wie lang die Fluchtwege sind und wie das Gebäude strukturiert ist. Wird die Sicherheitsstufe 1 gewählt, dann darf bei einem Fehler im Übertragungsweg die Beschallung eines Alarmierungsbereichs ausfallen. In der Regel kommt bei Sprachalarmierungsanlagen aber die Sicherheitsstufe 2 zum Tragen: Hier muss auch bei einem Fehler im Übertragungsweg noch der gesamte Wirkungsbereich beschallt werden können. Lediglich eine geringe Verschlechterung der Sprachverständlichkeit wird toleriert. Objekte mit der Sicherheitsstufe 3 müssen über eine vollredundante Anlage verfügen. Hier werden Ausfälle weder im Übertragungsweg noch in der Zentrale akzeptiert.
„Bei der Planung von elektroakustischen Anlagen gibt es also viel zu beachten; das gilt nicht nur für Errichter, sondern auch für Elektroplaner“, betont Nagel. Sie müssen sich jetzt nicht mehr nur mit der Branddetektion auskennen, sondern auch genau wissen, welche Lautsprecher mit welchem Abstrahlverhalten bei welchen Störpegeln geeignet sind, um im konkreten Gebäude die geforderte Sprachverständlichkeit zu erzielen. Aber auch Themen wie Bauordnungsrecht, Schnittstellen, Akustik von Räumen oder Ersatzstromversorgung und Funktionserhalt spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung und Gewährleistung des geforderten Sicherheitslevels.
Sprachalarmanlagen dürfen nur durch Fachfirmen geplant, projektiert und errichtet werden. Eine entsprechende Zertifizierung nach DIN 14675-2 sorgt dabei für das nötige Fachwissen sowie die Marktakzeptanz. Regelmäßige Schulungen helfen Elektroplanern und Errichtern darüber hinaus, ihr Wissen in Bezug auf das Bauordnungsrecht, die aktuell gültigen Normen und in Bezug auf Produktentwicklungen auf dem neuesten Stand zu halten. Nur so können sie laut Nagel, „auf Augenhöhe mit Brandschutzplanern, Bauherren und Behörden agieren, die richtigen Fragen stellen und im Vorfeld auf Probleme hinweisen“. Denn bei der Abnahme steht „zunächst der Errichter dafür ein, dass die Anlage in allen Punkten die gesetzlichen und normativen Vorgaben erfüllt“.
Dass die Normung sich stetig weiterentwickelt, macht Nagel am Beispiel der adaptiven Fluchtweglenkung deutlich. Hier ist die Sprachalarmanlage wichtiger Bestandteil eines ganzen Evakuierungssystems. Zurzeit arbeiten beim Deutschen Institut für Normung Experten aus unterschiedlichen Bereichen an einer Anwendungsnorm für die dynamische und adaptive Fluchtweglenkung.