ProSicherheit
Die Plattform für smarte Gebäudesicherheit
Fachwelt
Der im April wütende Brand schädigte die Kathedrale Notre Dame in Paris stärker als die Fernsehbilder vermuten lassen. Zwar wurde jeder Giebel abgestützt, aber das Holz im Inneren der Kirche scheint die Stabilität zu gefährden. Der Schock über die starke Beschädigung des Pariser Wahrzeichens sitzt deshalb tief. Die Frage, wie gefährdet Sakralbauten sind, beschäftigt Monate nach dem Brand auch hierzulande immer noch die Öffentlichkeit.
Die intensive Berichterstattung nach dem Brand von Notre Dame ist für Frank Eichin, Abteilungsleiter Baulicher Brandschutz der Feuerwehr Stadt Freiburg, „ein typischer Reflex nach jeder Katastrophe“. Trotzdem hofft er, dass diesmal das Gefahrenpotential wirklich ernst genommen wird und die Entscheidungsträger entsprechende Brandschutzmaßnahmen in Sakralbauten ergreifen. Denn da diese nicht den Versammlungsstättenverordnungen der Länder unterliegen, schreibt der Gesetzgeber nicht vor, welche Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Gebäude umzusetzen sind. Ob bzw. welche Brandschutzmaßnahmen in Gotteshäusern installiert werden, entscheiden daher die Kirchen selbst.
Zwar ist nach Einschätzung von Professor Reinhard Ries, er leitete 25 Jahre lang die Feuerwehr in Frankfurt am Main, die Gefahr nicht sehr hoch, dass während eines Gottesdienstes Sakralbauten in Flammen aufgehen. Würde beispielsweise eine Kerze umfallen und etwas in Brand setzen, würden die Anwesenden reagieren und das Feuer sofort löschen. Aber wie Notre-Dame zeigt, entstehen Brände oft außerhalb der Gottesdienstzeiten.
Ein Großbrand beschädigte die Kathedrale am 15. und 16. April 2019 sehr stark.
Neben Blitzeinschlägen und Renovierungsarbeiten im Dachstuhl sind auch Kabelbrände eine häufige Brandursache. Für Feuerwehrmann Eichin gehört in die Diskussion aber nicht nur die Betrachtung des reinen Brandrisikos, auch das Schadensausmaß muss bei der Entscheidung für eine Brandschutzlösung berücksichtigt werden. „Und das lässt sich bei einem Sakralbau wie dem Freiburger Münster oder der Kathedrale Notre-Dame nicht einmal beziffern.“ Ohne den Einsatz von Brandschutzlösungen droht deshalb im Ernstfall „die unwiederbringliche Zerstörung eines identitätsstiftenden, kultur- und kunsthistorischen Schatzes.“
Wie real diese Gefahr ist, erlebte Eichin in seiner Dienstzeit persönlich. 1994, erinnert er sich „drang Rauch aus dem Münsterturm. Auf der Besucherplattform in 55 Metern Höhe brannte es“. Ein Kabelbrand nach Bauarbeiten hatte das Feuer ausgelöst. Ohne das schnelle Eingreifen der Feuerwehr wäre „der Einsturz des Turms nicht ausgeschlossen gewesen, der Sandstein war bereits in Mitleidenschaft gezogen“. Und 2016 brannte ein Marktstand vor dem Münster.
Auch hier hätten die Flammen auf den Bau übergehen können. Die Gefahr bestand und wäre laut Eichin deutlich größer gewesen, hätte die Feuerwehr im Zuge eines vorausschauenden Brandschutzes die Standflächen des Wochenmarktes in direkter Kirchenumgebung nicht stark begrenzt. Zudem gibt es in Freiburg ausgewiesene Flächen für das Aufstellen der Feuerwehrfahrzeuge. Eine Maßnahme, die keinesfalls in allen Städten durchgesetzt ist, die aber „notwendig ist, um schnell reagieren zu können“, betont der Feuerwehrmann.
Eine Einschätzung, die auch der ehemalige Leiter der Feuerwehr Frankfurt am Main, Professor Reinhard Ries, teilt. „Die Chance, einen Brand schnell unter Kontrolle zu bekommen“, so der Professor, der an drei Hochschulen bzw. Universitäten Architekturstudenten für das Thema Brandschutz sensibilisiert, „hängt wesentlich davon ab, wie schnell die Feuerwehr vor Ort ist“. Melden Anwohner einen Brand, weil sie im Dachstuhl oder im Turm der Kirche Rauch oder Flammen bemerken, ist es seiner Erfahrung nach oftmals bereits zu spät, um den Schaden klein halten zu können.
Die Chance, einen Brand schnell unter Kontrolle zu bekommen, hängt wesentlich davon ab, wie schnell die Feuerwehr vor Ort ist.
Dabei erschwert insbesondere die große Höhe der Kirchenschiffe und der Türme, das Kirchenschiff des Freiburger Münsters ist 40 und der Turm 100 Meter hoch, die Löscharbeiten. Die Drehleitern erreichen normalerweise nur eine Nennrettungshöhe von 23 Metern. Zu niedrig, um ein Feuer im Dachstuhl effektiv löschen zu können. Selbst Drehleitern mit einer Leiterlänge von 42 Metern reichen nicht immer für eine vollumfängliche Brandbekämpfung wie eine Anleiterprobe am Berliner Dom mit seiner 98 Meter hohen Kuppel zeigte. Die Fachleute des Vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutzes, die den Praxistest Ende Juni 2019 in Berlin begleiteten, sahen bei einer Leiterhöhe von 42 Metern eine geschätzte Abdeckung des Objektes von 85 Prozent.
Die Pariser Feuerwehr konnte den Brand im Wesentlichen auf den hölzernen Dachstuhl der Kathedrale begrenzen und damit die Zerstörung eingrenzen.
Und auch wenn die Kirchen auf dem Land nicht so hoch wie der Berliner Dom oder das Freiburger Münster sind, die Brandbekämpfung ist deswegen nicht unbedingt einfacher für die Feuerwehr vor Ort. Denn in der Regel verfügen die Gemeinden nicht über große Löschfahrzeuge mit einer entsprechend hohen Leiter. Und ganz gleich, wie hoch die Kirchen sind, die Bereiche innerhalb der Kirche sind selten brandschutztechnisch voneinander getrennt. So kann sich ein Feuer schnell ausbreiten. Auch, weil das Holz im Dachstuhl mitunter mehrere 100 Jahre alt und komplett ausgetrocknet ist.
Die Pariser Staatsanwaltschaft bewertet den Brand, der die Kathedrale stark beschädigte, vorläufig als Unfall ein. Die Ermittlungen wegen fahrlässiger Brandstiftung laufen noch.
Die beiden Brandschutzexperten plädieren daher für den Einbau von flächendeckenden Brandmeldeanlagen in Sakralbauten. Denn diese detektieren Brände bereits im Anfangsstadium und informieren sofort die Feuerwehr. In den acht bis zwölf Minuten, die im Normalfall zwischen der Alarmierung und dem Eintreffen der Löschwagen vergehen, entwickelt sich das Feuer in der Regel nicht zu einem Großbrand – außer, es sind Brandbeschleuniger im Einsatz.
Neben einer Brandmeldeanlage bietet sich in großen Sakralbauten und anderen historischen Bauten auch die Installation von Steigleitungen für den zuleitenden Transport von Wasser in den Dachstuhl bzw. den Kirchturm an. Das Freiburger Münster verfügt laut Eichin über eine trockene Steigleitung, die die Feuerwehr bei Bedarf mit Wasser befüllt und so eine Wasserentnahme auf jeder Etage des Kirchturms ermöglicht. „Damit können wir sehr effektiv von innen heraus das Feuer bekämpfen“, erklärt Eichin. Eine Maßnahme, die auch in großen Sakralbauten nicht selbstverständlich ist.
In puncto vorbeugender Brandschutz ist das Freiburger Münster bzw. der Münsterfabrikfonds, die Stiftung kirchlichen Rechts und Eigentümer des Freiburger Münsters, „ein Vorreiter“. Denn es gibt nicht nur eine flächendeckende Brandmeldeanlage, die den Einsatzkräften anzeigt, welcher installierte Brandmelder einen Alarm auslöste. Derzeit wird überlegt, ob sogar eine Sprinkleranlage eingebaut wird. Der häufig gebrachte Einwand, dass diese Anlagen dem Gemäuer bzw. dem Holz schaden könnten, lässt Eichin nicht gelten. „Sie kommen ja nur zum Einsatz, wenn wirklich eine Gefahr besteht. Und außerdem springen ja nicht sofort alle Sprinkler an, sondern nur die im Umkreis des Brandes.“
Brandschutz in historischen Kirchen bzw. Bauten ist nach Ansicht der beiden Experten aus denkmalschutz- und gebäudetechnischen Gründen zwar nicht immer einfach, aber möglich. So sind moderne Rauchansauglösungen mittlerweile fast unsichtbar und werden deshalb auch nicht in einem historischen Gebäude als störend empfunden. Vor allem aber sind Brandschutzlösungen unverzichtbar, um „Menschen und die Gebäude mit ihren einzigartigen Reliquien bzw. Kunstgegenständen wirksam zu schützen“, so Professor Ries.